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Prof. Dr. Dirk Hofäcker erhält Fellowship im Wintersemester 2025/2026

Prof. Dr. Dirk Hofäcker erhält für das Wintersemester 2025/26 das Fellowship „Die Legitimität lebenslauforientierter (Sozial-)Politik in Zeiten wohlfahrtsstaatlichen Wandels“, das im Forschungsfeld 4 „Lebensläufe und Sozialpolitik“ verortet ist. 

Klassische lebenslaufsoziologische Ansätze (z.B. Kohli 1985, 2007) beschreiben die Struktur von Lebensläufen in modernen Gesellschaften in idealtypischer Weise als dreiteilig und um das Erwerbsleben herum zentriert. Einer vorbereitenden Phase der Bildung und Ausbildung, innerhalb derer arbeitsmarktrelevante Qualifikationen und Fähigkeiten erworben werden, schließt sich eine zentrale Phase der lohnbasierten Erwerbstätigkeit an, in der unter anderem sozialversicherungsrelevante Ansprüche erworben werden. In der nacherwerblichen Phase des Ruhestands können sozialversicherte Bürger:innen auf derartige akkumulierte Ansprüche zurückgreifen und – idealiter bei weitgehender Wahrung des vorherigen Lebensstandards – materiell abgesichert die abschließende Phase des (höheren) Alters durchlaufen.

(Sozial-)Staatlichem Handeln wird in der Strukturierung dieses idealtypischen Lebensverlaufs meist eine zentrale Rolle zugewiesen (vgl. z.B. Leisering 2003, Kohli 2007). Spezifische institutionell verankerte Politiken strukturieren die einzelnen Phasen und garantieren eine basale Kontinuität innerhalb des Lebenslaufs. Gleichzeitig üben sie auch eine integrierende Funktion aus, indem sie Übergänge zwischen den einzelnen Lebenslaufabschnitten angemessen gewährleisten.

Das skizzierte Modell einer Strukturierung und Integration des Lebenslaufs durch staatliche Politik sieht sich in Deutschland jedoch aufgrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen einer Reihe von Herausforderungen gegenüber, wie sie u.a. auch im aktuellen DIFIS-Forschungsprogramm skizziert werden:

  • Im Zuge des rapiden technologischen und berufsstrukturellen Wandels verlieren im Bildungssystem initial erworbene Qualifikationen im Zeitverlauf zunehmend an Bedeutung.
  • Aktuelle Transformationen der Arbeitswelt haben für bestimmte Arbeitsmarktgruppen eine zunehmende Flexibilisierung von Erwerbsformen mit sich gebracht und den Anstieg atypischer, zum Teil auch prekärer Beschäftigungsformen befördert. Selbst bei Vorliegen von Erwerbstätigkeit führt nicht jede Beschäftigung mehr zu einem existenzsichernden Einkommen.
  • Aktuelle politische Regelungen berücksichtigen nicht ausreichend private Sorgearbeit, die überwiegend von Frauen erbracht wird. So hat deren Übernahme nach wie vor meist negative Folgen für die (langfristige) soziale Sicherung von Frauen.
  • Die angesichts des demographischen Wandels vollzogene Heraufsetzung des Renteneintrittsalters sowie die rückläufige Großzügigkeit staatlicher Rentenleistungen stellt die materielle Sicherheit im Alter zunehmend in Frage und trägt dadurch zu einer steigenden Fragmentierung des Rentenübergangs bei.

An dieser Stelle setzt die Forschungsperspektive des o.g. Fellowships an. Basierend auf der Analyse langfristiger Trendentwicklungen, aber auch aktueller empirischer Daten, soll untersucht werden, inwiefern aus Sicht der deutschen Bürger:innen das gegenwärtige Arrangement staatlicher Lebenslaufpolitik noch über eine ausreichende Zustimmung innerhalb der Bevölkerung verfügt. Im Mittelpunkt der geplanten empirischen Analysen soll dabei zunächst eine quantitative Deskription gesamtdeutscher Muster der o.g. Erwartungen und Einstellungen der Bürger gegenüber dem deutschen Wohlfahrtsstaat stehen. Darüber hinaus soll untersucht werden, entlang welcher gesellschaftlicher Konfliktlinien sich die Erwartungen der Bürger:innen in den o.g. drei Dimensionen unterscheiden: Zwischen welchen gesellschaftlichen Gruppen finden sich Differenzen in der Beurteilung grundlegender sozialstaatlicher Verantwortlichkeit, dem Ausmaß staatlicher Leistungen und dem Zielerreichungsgrad wohlfahrtsstaatlicher Politik?

Mehrere seit Jahrzehnten existierende Umfrageprogramme – etwa das International Social Survey Programmes (ISSP), der European Social Survey (ESS) oder die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) bieten hier eine breite Palette von relevanten Indikatoren und ermöglichen damit die langfristige Nachzeichnung von Einstellungstrends seit den 1980er Jahren bis in die Gegenwart hinein. Gleichzeitig schaffen sie durch eine differenzierte Erfassung soziodemographischer Faktoren die Möglichkeit zur detaillierten Analyse möglicher Konfliktlinien in den Erwartungen und Beurteilungen der Bürger.

In Ergänzung zu den geplanten Analysen soll im Februar 2026 ein internationaler Forschungsworkshop zur skizzierten Thematik in Bremen stattfinden.

 

Literatur

Kohli, M. (1985): Die Institutionalisierung des Lebenslaufs. Historische Befunde und theoretische Argumente; in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37, 1–29.

Kohli M. (2007): The institutionalization of the life course: looking back to looking ahead. Research in Human Development 4, 3-4, 253–271.

Leisering L. (2003): Government and the Life Course. in: Mortimer J.T., Shanahan M.J. (eds): Handbook of the Life Course. New York: Springer, 205–225.

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